„Datenschutz muss Datenmissbrauch und langen Einverständniserklärungen vorbeugen.“

Jochen Bauer, ForeSight-Teilprojektleiter für Daten, Datenstrukturierung und Datenschutz sowie Forschungsbereichsleiter Hausautomatisierung der FAU spricht über intelligente Insellösungen im Smart Living Markt, das Thema Datenmanagement und den Security-by-Design-Einsatz.

Herr Bauer, als Forschungsbereichsleiter Hausautomatisierung am Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik der FAU Erlangen-Nürnberg sind sie u.a. mit den Themen Künstliche Intelligenz und Internet of Things betraut. Warum wird der Smart-Living-Markt derzeit noch von intelligenten Insellösungen beherrscht und wie können die noch vorherrschenden Datensilos Ihrer Meinung nach aufgebrochen werden?

Das sind zwei sehr interessante Fragen. Ich will zu Beginn auf die historisch gewachsenen Datensilos eingehen. Wir erleben aktuell, dass sich Insellösungen für die Domänen Energie, Gesundheit und konventionelle Smart-Home-Technologie immer mehr etablieren und für viele Nutzergruppen attraktiv werden. Smartes Energiemanagement, intelligente Verschattung und der Hausnotruf sind hierfür als Beispiele zu nennen.

Langsam wachsen diese Bereiche aber durch Middleware-Systeme zusammen bzw. es gibt Anbietende, die versuchen, alle Services aus einer Hand zu bieten und diese ggf. um sinnvolle übergreifende Interfaces zu erweitern, wie etwa einer Sprachsteuerung. Hier kann man den mittlerweile oft ausgesprochenen Vornamen beginnend mit Ale… als Beispiel nennen. Technisch betrachtet muss man zwischen diesen Insellösungen Vereinbarungen treffen, damit eine erfolgreiche nahtlose Kommunikation gelingen kann. Dies ist oftmals seitens der anbietenden Firmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht gewollt oder technologisch bzw. regulatorisch mit einem zu hohen Aufwand verbunden. Es ist insbesondere unklar, ob durch die eigenen Kollaborations-Ansätze auch die notwendige Marktdurchdringung für einen entsprechenden Kapital-Rückfluss erreicht werden kann. In ForeSight setzen wir auf vielversprechende und der Interoperabilität zuträgliche Ansätze, wie etwa das Web of Things (WoT) bzw. der zugehörigen Erweiterung SENSE-WoT, welche von einigen der ForeSight-Konsorten geprägt wurde.

Dies leitet direkt zur zweiten Frage über, was denn getan werden müsse, um dies zu ändern. Hier sehe ich das ForeSight-Projekt als Wegbereiter, da wir die vielversprechendsten Ansätze zur Verbesserung der Interoperabilität betrachten und diese stellenweise erweitern. Ebenso werden wir die Unternehmen befähigen, deren Geschäftsmodelle leicht in die digitale Welt der Thinking Objects zu übertragen. Am Ende des Tages wollen wir mit ForeSight genau diese Art des Startimpulses erzeugen, so dass sowohl die Konsorten als auch die assoziierten Partner und gar die gesamte Smart-Living-Community von ForeSight profitieren können und die Zusammenarbeit auf diesem Wege gefördert wird. Ich denke auch, dass wir hier auf einem sehr guten Weg sind.

Bei ForeSight zeichnen Sie als Teilprojektleiter für das Thema „Daten, Datenstrukturierung und Datenschutz“ verantwortlich. Was können wir uns unter dem Datenmanagement genau vorstellen?

Aussagekräftige Daten und zugehörige transparente Zugriffs- und Verwertungsstrategien werden in Zukunft sehr wichtig sein. Ich möchte noch weitergehen und behaupten, dass sich unser gesellschaftliches Zusammenleben in 10 Jahren durch den KI-Einsatz massiv verändern wird. Wir sehen hier also einen Handlungsbedarf in zwei Richtungen: der Geber und Geberinnen der Daten brauchen die Notwendigkeit der Steuerung. Der KI-Service braucht wiederum Daten, die für ihn wertvolle Information beinhalten, um passable Ergebnisse zu erzeugen.

Die Daten bzw. Datenbeschreibungen und Ontologien sind notwendig, um diese KI-Dienste zu konzipieren, zu entwickeln und diese dann zu trainieren oder zu optimieren. Wir sehen erste Dienste, wie etwa die Sprach- oder Objekterkennung, die erstaunliche Ergebnisse erzielen können, so dass wir dem autonomen Fahren im Speziellen oder der Kontexterkennung im Allgemeinen immer näherkommen. Hierfür gilt es die richtigen Daten zu erheben, diese passend zu strukturieren und für die KI-Verwendung optimal vorzubereiten.

Am Ende des Tages wollen wir mit ForeSight eine Art Startimpuls erzeugen, so dass sowohl die Konsorten als auch die assoziierten Partner und gar die gesamte Smart-Living-Community von ForeSight profitieren und die Zusammenarbeit auf diesem Wege gefördert wird.

Auf der anderen Seite müssen wir den Datenschutz und die Transparenz und Selbstbestimmung für den Datengebenden (etwa einem Gast in einer Wohnung) so verbessern, dass dieser sowohl vor einem Datenmissbrauch als auch vor endlos langen Einverständniserklärungen geschützt wird. Hier sehen wir neben den ForeSight-Aktivitäten die GAIA-X-Initiative als äußerst interessant an und forcieren hier eine enge Zusammenarbeit!

Zusammenfassend betrachten wir also in ForeSight beim Thema Datenmanagement die komplette Bandbreite von der Erhebung bis zur späteren rechtssicheren Verwendung und Verwertung – dies ist überaus spannend, aber auch sehr herausfordernd, weil wir mit der „KI-Dienste-Einbettung“ völliges Neuland in diesem Umfang betreten.

Wo vernetzte Daten zum Einsatz kommen, rückt auch die IT-Sicherheit in den Fokus der Betrachtung. Was bedeutet in diesem Zusammenhang der Security-by-Design-Ansatz?

Will man die Privacy stärken, müssen die Systeme auch sicher sein, da sonst die Schutzmechanismen oft leicht ausgehebelt werden können. Security by Design rückt IT-Sicherheits-relevante Aspekte bei der Systemkonzeption von Beginn an in den Fokus. Im Smart-Living-Bereich befinden wir uns allerdings weniger in einer Neuentwicklung auf der grünen Wiese, sondern in historisch gewachsenen Ökosystemen und oftmals wird das Augenmerk auf nachrüstbare Lösungen in Bestandsbauten gelegt, da dort ein hohes Verbesserungspotenzial vorherrscht. Wir haben also im Smart Living Bereich ein Brownfield-Szenario und müssen uns daher behelfen, dass wir die Sicherheit erhöhen, ohne die Altsysteme aus dem Fenster zu werfen.

Jetzt klang schon an, dass das Thema Datenschutz für eine spätere Akzeptanz eine Schlüsselrolle einnimmt, ebenso dass die Privacy ohne die Security nicht möglich ist. Des Weiteren muss das Thema Security ganzheitlich betrachtet werden, da neben den technologischen Angriffen häufig auch das Mitarbeiterverhalten als Einfallstor in Systeme genutzt wird – man denke an das vor einigen Jahren noch oft vorkommende Post-It mit dem Passwort unterhalb der Tastatur.

Wir kommen dem ganzheitlichen Privacy-und Security-Ansatz im ForeSight-Projekt nach, indem wir aktuelle Ansätze aus den Informationssicherheits-Management-Systemen auf die Smart-Living-Domäne adaptieren. Dabei ergänzen wir diese noch mit vielversprechenden Strategien wie etwa „Zero-Trust“.

Wir kommen diesen kombinierten (Privacy + Security) und ganzheitlichen Ansatz im ForeSight-Projekt nach, indem wir aktuelle Ansätze aus dem Informationssicherheitsmanagement-Systemen auf die Smart-Living-Domäne adaptieren. Dabei ergänzen wir diese noch mit vielversprechenden Strategien wie etwa „Zero-Trust“. Am Ende des Tages gehen wir davon aus, dass trotz der verbesserten Security der Mehraufwand für den Nutzenden im Rahmen bleibt und wir ein Höchstmaß an Komfort für den Bewohnenden aufrechterhalten können.

Herr Bauer, wir danken Ihnen für das Gespräch. 

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