„Es muss skalierbare Lösungen für die Industrie geben.“

ForeSight-Projektleiterin Anke Hüneburg spricht über die Chancen aus dem Bereich Smart Living für Elektroindustrie und Wohnungswirtschaft und darüber, wie ZVEI-Mitgliedsunternehmen von dem Wissenstransfer aus der Forschung profitieren können.
Anke Hüneburg im Interview

Anke Hüneburg, Sie leiten den Bereich Energie und sind Geschäftsführerin des Fachverbands Energietechnik beim ZVEI. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen der täglichen Verbandsarbeit und Ihrer aktiven Rolle als Projektleiterin bei ForeSight?

Zukunftsthemen mit gesellschaftlicher Bedeutung motivieren mich sehr. In meiner Verbandsarbeit liegt der Schwerpunkt aktuell auf Themen wie Energie, Klima und Umwelt. Um innovativ zu bleiben, sind wegweisende Themen wie Künstliche Intelligenz aber ebenfalls von hoher Relevanz. Die Herausforderung ist, das Bestehende mit Innovativem in Einklang zu bringen und Schnittstellen zu finden. Das gelingt uns auf mehreren Wegen. Zum einen ergeben sich direkt im Verband wertvolle Synergien, wie beispielsweise in den Bereichen Energieinfrastruktur oder Smart Home. Zum anderen hilft die Realisierung von Forschungsprojekten mit namhaften Partnern immens. So hat der ZVEI beispielsweise schon mehrere erfolgreiche Projekte mit dem DFKI realisiert und wir haben uns in der Zusammenarbeit perfekt ergänzt. Während das Forschungsinstitut wertvolles Knowhow rund um die IT-Zukunftsthemen aus Sicht der Wissenschaft mitbringt, liegt unsere Stärke als Technologieanbieter in der praxisnahen Umsetzung der Projekte. Aus dieser fruchtbaren Zusammenarbeit ist schließlich auch das große vorwettbewerbliche Forschungsprojekt ForeSight entstanden. Meine tägliche Verbandsarbeit hilft mir wiederum bei den wegweisenden Themenfeldern wichtige und zukunftsweisende Fragestellungen in ForeSight zu adressieren. Gleichzeitig kann ich die Erwartungshaltung unserer Mitglieder an Forschungsprojekte sehr gut bedienen. Da passen meine beiden Funktionen in der Projektleitung und in der Verbandarbeit wunderbar zusammen.

ForeSight ist aus einem Schulterschluss der Wohnungswirtschaft, Elektroindustrie und der Digitalwirtschaft entstanden. Wie wichtig ist so ein Forschungsprojekt für die Branche? 

ForeSight ist innovativ, alle wichtigen Player sind auf einer Plattform gemeinsam unterwegs. Das gab es in dieser Form bisher noch nie. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln treiben die ForeSight-Partner die Projektinhalte voran und sorgen für ein zukunftsfähiges und tragfähiges Konzept, um Deutschland einen großen Mehrwert für den Wohnungsbestand zu bieten. So repräsentiert die Wohnungswirtschaft die Kundenseite und widmet sich der Frage nach den alltagsnahen Anforderungen, die es für eine Vernetzung im Gebäude braucht. Die Partner aus der Wissenschaft und der Digitalbranche fokussieren sich darauf, was durch KI im Bereich Smart Living künftig alles möglich sein wird. Hier wird beispielsweise der Frage, welche Daten wir für Smart Services brauchen und welche Qualität der Daten dafür nötig sind, nachgegangen. Wir vom ZVEI vertreten die Unternehmen und Technologieanbieter. Für die Branche ist ein solches Forschungsprojekt sehr wichtig, denn die Stimmen nach einer Standardisierung der Daten werden immer lauter und das ist wichtig, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können.

ForeSight ist innovativ, alle wichtigen Player sind auf einer Plattform gemeinsam unterwegs.

Und welche Chancen eröffnen sich durch ForeSight speziell für die Elektroindustrie?

Die Elektroindustrie hat im Laufe der Jahre viele Technologien weiterentwickelt. Das sieht man am Beispiel der Beleuchtung sehr deutlich. Es gab in den letzten Jahren dank der Entwicklung der LED-Technologie einen großen Sprung in Richtung Energieeffizienz. Es ist wirklich enorm, was sich da im Gebäude getan hat. In den Bereichen Gebäudeautomation und Energiemanagement im Gebäude stellen wir uns die Frage, wie die Technologien sich weiterentwickeln können, um die gesellschaftlichen Herausforderungen im Sinne von Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu erreichen. Da sind Forschungsprojekte wie ForeSight wichtige Impulsgeber und fördern die Akzeptanz innovativer Technologien.

Inwiefern passt ein Projekt wie ForeSight in die neue Positionierung des Verbands als „Innovation Catalyst“?

Ich finde die Positionierung als „Innovation Catalyst“ passt wie die Faust aufs Auge zu der Elektroindustrie, denn sie repräsentiert sozusagen unsere DNA. Wir beschäftigen uns beispielsweise schon seit vielen Jahren intensiv mit einem Blick in die Zukunft des Gebäudes, denn wir verstehen uns auch als Innovationstreiber. Daraus sind konkrete Handlungsfelder entstanden, die dringend notwendig sind, um eine nachhaltige Entwicklung möglich zu machen. Insofern ist die Positionierung des Verbands als „Innovation Catalyst“ schon länger in unseren Prozessen angelegt. Unsere Stärke als Verband ist es, Plattformen wie ForeSight zu managen. Die Diskussion gemeinsamer Ziele, die Orchestrierung der dafür notwendigen Veränderungsprozesse und die Vernetzung der Partner sind ja typische Verbandsaufgaben und damit Teil unseres Kerngeschäfts. Aus allen diesen Aspekten ist erkennbar, dass der ZVEI wichtige Voraussetzungen mitbringt, um in einem Plattformprojekt wie ForeSight die Konsortialleitung zu übernehmen. Das ist eine große Herausforderung, denn es gibt natürlich auch viele kontroverse Diskussionen, wie wir die Dinge in ForeSight angehen. Aber unterm Strich werden diese Gespräche sehr sachlich und zielorientiert geführt. Insofern freue ich mich, dass uns hier das Vertrauen geschenkt wurde und wir ein so großes Konsortium anführen dürfen.

Unsere Stärke als Verband ist es, Plattformen wie ForeSight zu managen.

Der ZVEI engagiert sich ja auch in anderen Forschungsprojekten wie beispielsweise SENSE oder künftig auch GAIA-X. Welche Verbindung hat ForeSight zu diesen anderen Projekten?

SENSE ist, wie ForeSight übrigens auch, als Forschungsprojekt mit einer Laufzeit von drei Jahren angelegt. SENSE ist Ende 2019 und ForeSight Anfang 2020 gestartet. In SENSE können erste Grundlagen zur Interoperabilität in Gebäuden erarbeitet und erprobt werden, um dann in einem nächsten breiteren Schritt skalierbare Lösungen für Anwender ableiten zu können. Ein großer Anwender könnte die Wohnungswirtschaft sein. Mit ForeSight wollen wir zusammen mit der Wohnungswirtschaft die Forschungsergebnisse in die Praxis überführen. Aus den Aktivitäten im Verband war uns von vornherein klar, dass das Thema semantische Interoperabilität eines der zentralen Themen ist, um die Vernetzung im Gebäude voranzutreiben.
Deswegen hatten wir uns am KI-Innovationswettbewerb des BMWK mit dem Projekt ForeSight beteiligt. ForeSight baut im Wesentlichen auf SENSE mit seinen einzelnen Bausteinen zum Thema semantische Interoperabilität auf und denkt die Künstliche Intelligenz mit. Es geht darum zu erforschen, wie man auf Basis von Daten in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz vorausschauende serviceorientierte Gebäude entwickeln kann. Es geht also nicht nur darum, was wir unseren Mitgliedsunternehmen anbieten können, sondern welchen Mehrwert wir für die Wohnungswirtschaft und allen anderen Marktpartnern bieten können. Besonders wertvoll ist hierbei, dass auch die Bundesregierung ein Interesse daran hat, Projekte zu unterstützen, bei denen es am Ende des Tages marktfähige skalierbare Lösungen für die Industrie gibt.

Ähnlich verhält es sich mit dem Projekt GAIA-X: Die Grundidee einer europäischen Dateninfrastruktur teilen wir in ForeSight zu einhundert Prozent. Denn auch wir diskutieren beispielsweise Fragen, welche Daten wir verwenden und wie diese zusammenpassen, auf welchen unabhängigen Plattformen die Daten liegen, wie Services verfügbar gemacht werden können, wie wir Ökosysteme vernetzen und welche KI-Methoden wofür sinnvoll entwickelt und eingesetzt werden können. Die Ergebnisse aus dem Projekt ForeSight können daher sehr gut in die Überlegungen zu GAIA-X überführt und perspektivisch in die Praxis umgesetzt werden. Das heißt, SENSE, ForeSight und GAIA-X greifen ineinander und bauen durchaus aufeinander auf.

Anke Hüneburg im Interview

ForeSight ist bis Ende 2022 angelegt. Gibt es darüber hinaus schon konkrete Pläne, wie der ZVEI im Forschungsbereich Smart Living engagiert bleibt?

Wir stellen uns natürlich die Frage nach dem Ergebnistransfer und überlegen, wie wir als Verband das Knowhow nicht nur unseren Mitgliedern zur Verfügung stellen können. In diesem Zusammenhang denken wir auch darüber nach, wie wir auf der Basis der bisherigen Ergebnisse weitere Innovationen über geeignete Plattformen vorantreiben können.

Im Januar 2020 ist ForeSight mit 17 Konsortialpartnern 2020 gestartet. Etwa ein Jahr später sind bereits über 50 weitere assoziierte Partner hinzugekommen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Bei ForeSight sind wir bereits in der Konzeptionsphase auf sehr großes Interesse gestoßen und stellen nach gut einem Jahr Projektlaufzeit fest, dass wir pro Woche mehrere Anfragen von Unternehmen erhalten, die mitarbeiten oder vielleicht auch von den Entwicklungen und dem Wissen partizipieren wollen. Das motiviert uns sehr die Arbeiten weiter voranzutreiben und ist gleichzeitig aber auch ein großer Ansporn für neue Forschungsprojekte der Zukunft.

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